Geschichte & Kultur

Vom Medikament zum Getränk: Die überraschende Geschichte der Cola

Ein kriegsversehrter Apotheker mixt 1886 einen Sirup gegen Kopfschmerzen – mit Kokain drin. Heute trinken täglich über eine Milliarde Menschen seine Erfindung. So wurde aus einem zweifelhaften Heilmittel das bekannteste Getränk der Welt.

Geschichte & Kultur  |  Lesezeit: ca. 8 Min.
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Zwischenablage

Stell dir vor, du gehst in die Apotheke und bestellst ein Glas Cola gegen deine Kopfschmerzen. Klingt verrückt? War aber mal völlig normal. Am 8. Mai 1886 mixte der Apotheker John Stith Pemberton in Atlanta eine Rezeptur zusammen, die Kopfschmerzen und Müdigkeit vertreiben sollte. Was er damals nicht ahnte: Er hatte gerade das Fundament für eines der wertvollsten Unternehmen der Welt gelegt.

Die Geschichte der Cola ist alles andere als süß und unschuldig. Sie handelt von Krieg, Sucht, fragwürdigen Zutaten und einer ordentlichen Portion Glück. Denn eigentlich wollte Pemberton nur seine eigenen Schmerzen lindern – und endete dabei als Erfinder des wohl bekanntesten Getränks unseres Planeten.

Ein Apotheker auf der Suche nach Heilung

John Stith Pemberton wurde 1831 in Knoxville geboren und begann mit 17 Jahren seine Ausbildung zum Apotheker. Soweit, so gewöhnlich. Doch das Leben meinte es nicht gut mit dem Mann, der später Millionen von Menschen Erfrischung schenken sollte. Im amerikanischen Bürgerkrieg wurde er schwer verwundet und entwickelte eine Abhängigkeit von Morphium – dem damals üblichen Schmerzmittel.

Diese persönliche Tragödie wurde paradoxerweise zum Antrieb für seine Experimente. In den Häfen von Savannah suchte der experimentierfreudige Arzt und Apotheker regelmäßig nach frischen Zutaten und Gewürzen. Er bastelte an Rezepturen für Stärkungsgetränke herum, immer auf der Suche nach etwas, das seine eigenen Leiden lindern könnte.

Besonders fasziniert war Pemberton von einem Getränk, das damals in Europa und Amerika Furore machte: Vin Mariani, eine Mischung aus Wein und Kokain, die in Korsika erfunden wurde und mit der Unterstützung von Berühmtheiten wie Thomas Edison, Jules Verne und Papst Leo XII. nach Amerika kam. Eine irre Kombination, die heute undenkbar wäre – damals aber als Wundermittel galt.

Der Zufall, der Geschichte schrieb

Mitte der 1880er Jahre experimentierte Pemberton mit einer eigenen Version solcher Tonika. Seine Inspiration? Die Coca-Pflanze aus Südamerika, deren Blätter die Einheimischen kauten, um Müdigkeit zu vertreiben. Kombiniert mit Koffein aus der afrikanischen Kolanuss schien das der perfekte Mix für ein belebendes Getränk zu sein.

Dann kam der entscheidende Moment – und der war alles andere als geplant. Coca-Cola wurde von John Stith Pemberton am 8. Mai 1886 durch einen Zufall erfunden, als dieser versuchte, einen Sirup herzustellen, welcher Kopfschmerzen lindern sollte. Genauer gesagt: Atlanta hatte gerade die Prohibition eingeführt, Alkohol war verboten. Pemberton musste seinen alkoholhaltigen Sirup umstellen.

Den Grundsirup versetzte Pemberton nun mit Sodawasser – die Geburtsstunde von Coca-Cola. Was als Notlösung gedacht war, entpuppte sich als Geniestreich. Das sprudelnde Wasser machte das Getränk nicht nur erfrischender, sondern auch haltbarer und transportfähiger.

Neun Gläser am Tag – der bescheidene Anfang

Die ersten Verkäufe waren, gelinde gesagt, überschaubar. Laut offizieller Firmengeschichte verkaufte Pemberton anfangs in »Jacobs Pharmacy« täglich durchschnittlich neun Gläser zu je 5 US-Cent. Die Apotheke befand sich in der Innenstadt von Atlanta – eine Tafel erinnert noch heute an die ersten Coca-Cola-Verkäufe.

Neun Gläser am Tag – das waren gerade mal 45 Cent täglich. Für ein Getränk, das heute über eine Milliarde Mal täglich konsumiert wird, ein ziemlich bescheidener Start. Aber hey, jeder Weltkonzern hat mal klein angefangen.

Spannend ist dabei, dass Pemberton sein Getränk durchaus als Medizin vermarktete. Es sollte gegen Kopfschmerzen, Müdigkeit und sogar "nervöse Leiden" helfen. In einer Zeit, in der Patentmedizinen boomen und die Grenzen zwischen Medikament und Genussmittel fließend waren, war das nichts Ungewöhnliches.

Das dunkle Geheimnis der frühen Jahre

Hier wird die Geschichte etwas ungemütlich. Denn was Coca-Cola heute gerne verschweigt: Gegen 1885 setzte ein Getränkehersteller Kokain einer kohlensäurehaltigen Limonade zu, nannte sie Coca-Cola und verkaufte sie in dieser Rezeptur bis 1906 als Allheilmittel. Das "Coca" im Namen war also durchaus Programm – es stammte von den kokainhaltigen Coca-Blättern.

Kokain in einem Erfrischungsgetränk? Aus heutiger Sicht völlig irre, damals aber gang und gäbe. 1891 lagen bereits mindestens 200 Berichte vor über Probleme mit kokainhaltigen Getränken. Erst nachdem zahlreiche tödliche Vergiftungsfälle bekannt geworden waren, verbot man Kokain 1914 als Zutat in Getränken.

Die frühe Cola war also buchstäblich berauschend – kein Wunder, dass sie so beliebt wurde. Die Mischung aus Koffein und Kokain machte müde Menschen wach und sorgte für ein euphorisches Gefühl. Ein natürlicher Energy-Drink mit Suchtpotenzial, könnte man sagen.

Von der Hand in den Mund – Pembertons tragisches Ende

John Pemberton selbst konnte seinen Erfolg nur kurz genießen. Seine Suchtprobleme verschlimmerten sich, seine Gesundheit verschlechterte sich rapide. Nur kurze Zeit später verkaufte er zwei Drittel seines Patents an die Firma Asa Griggs Candler, um seine Morphiumsucht zu finanzieren.

Das ist schon bitter: Der Mann, der eines der wertvollsten Rezepte der Welt erfand, musste seine Rechte daran verkaufen, um seine Drogensucht zu finanzieren. Kurz vor dem Tod des Erfinders erwarb der Apothekengroßhändler Asa Griggs Candler für 2.300 US-Dollar die Rechte an Coca-Cola. 2.300 Dollar – heute wäre das Unternehmen über 240 Milliarden Dollar wert.

Pemberton starb 1888, nur zwei Jahre nach seiner Erfindung. Er erlebte den Welterfolg seiner braunen Brause nicht mehr mit. Manchmal ist das Leben echt unfair.

Die Verwandlung vom Heilmittel zum Genussmittel

Unter Candlers Führung begann die eigentliche Erfolgsgeschichte. Er erkannte das Potenzial des Getränks und – das war cleverer als gedacht – begann es mehr als Erfrischung denn als Medizin zu vermarkten. Die Zeiten der Patentmedizinen gingen langsam zu Ende, die Ära der Markengetränke begann.

Entscheidend war auch die Umstellung der Rezeptur. Das Kokain verschwand nach und nach aus der Formel – nicht aus moralischen Gründen, sondern weil es zunehmend problematisch und schließlich illegal wurde. Stattdessen setzte man mehr auf Koffein aus der Kolanuss und verfeinerte die Aromen.

Die ursprüngliche medizinische Vermarktung wich geschickt einer neuen Positionierung: Coca-Cola wurde zum Genussmittel, zur Erfrischung für zwischendurch. Aus "Heilsaft gegen Kopfschmerzen" wurde "The Pause That Refreshes" – die erfrischende Pause.

Das Rezept – geheimer als Staatsgeheimnisse

Bis heute hütet Coca-Cola sein Originalrezept wie einen Schatz. Angeblich kennen nur zwei Personen weltweit die komplette Formel – und sie dürfen nie zusammen fliegen, falls was passiert. Das ist Marketing-Genialität pur: Je geheimnisvoller, desto begehrter.

Tatsächlich ist das Grundrezept gar nicht so mysteriös. Zucker, Wasser, Kohlensäure, Koffein, natürliche Aromen – das wars im Prinzip. Ein bekanntes Rezept besagt: Koffeinsäure und Limettensaft in 1 Quart kochendem Wasser mischen, Vanille und Essenzen zusetzen, sobald es abgekühlt ist. Das Rezept sagt aber nicht aus, was mit dem Zucker, dem Koka-Extrakt, dem Karamell oder dem Rest des Wassers passiert.

Die Wahrheit ist: Das Geheimnis liegt weniger in exotischen Zutaten als in den exakten Proportionen und der speziellen Mischung der Aromen. Ein bisschen wie beim Kochen – die Zutaten kennt jeder, aber die perfekte Balance macht den Unterschied.

Von Atlanta in die weite Welt

Was als lokales Apothekengetränk begann, eroberte binnen weniger Jahrzehnte die Welt. Der Durchbruch kam mit der Abfüllung in Flaschen – vorher gabs Cola nur frisch gemischt am Tresen. Plötzlich konnte man das braune Gold überallhin mitnehmen.

Die Expansion war atemberaubend. Von neun Gläsern täglich in einer Apotheke zu über einer Milliarde Portionen weltweit – das ist schon eine beeindruckende Steigerung. Heute wird Coca-Cola in über 200 Ländern verkauft, nur in Kuba und Nordkorea gibts offiziell keine Cola.

Besonders clever war die Marketingstrategie. Coca-Cola verkaufte nie nur ein Getränk, sondern ein Lebensgefühl. Freundschaft, Glück, amerikanischer Traum – all das wurde geschickt mit der braunen Brause verknüpft. Aus einem simplen Zuckerwasser wurde ein Kulturgut.

Gesundheit heute – was ist geblieben?

Von den ursprünglich beworbenen Heilkräften ist heute nichts mehr übrig. Im Gegenteil: Cola steht eher im Verdacht, krank zu machen. Zu viel Zucker, zu viele Kalorien, Karies-fördernd – die Liste der Vorwürfe ist lang.

Ironisch, wenn man bedenkt, dass alles mal als Medizin angefangen hat. Heute warnen Ärzte eher vor zu viel Cola-Konsum. Die Zeiten, in denen Apotheker Cola gegen Kopfschmerzen empfohlen haben, sind definitiv vorbei.

Trotzdem trinken Menschen weltweit täglich über eine Milliarde Portionen Coca-Cola. Vielleicht ist das der wahre Beweis für Pembertons Genie: Er hat etwas erschaffen, was Menschen auch ohne medizinischen Nutzen glücklich macht. Das schafft nicht jeder Apotheker.

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