Geschichte & Kultur

Pasta-Evolution: Wie Marco Polo NICHT die Nudeln nach Italien brachte

Die berühmteste Pasta-Legende der Welt ist kompletter Quatsch. Marco Polo hat die Nudel nie nach Italien gebracht – die Italiener schlürften schon Jahrhunderte vorher an ihren Teigwaren herum. Zeit, mit diesem hartnäckigen Mythos aufzuräumen.

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Zwischenablage

Kennst du auch diese Geschichte? Marco Polo reist im 13. Jahrhundert nach China, entdeckt dort die Nudel und bringt sie voller Begeisterung nach Italien mit. Dort erobert sie die Herzen der Italiener im Sturm und wird zur Grundlage der italienischen Küche. Schöne Geschichte, oder? Leider ist sie von vorne bis hinten erfunden.

Dieser Mythos hält sich hartnäckiger als eingetrocknete Spaghetti an der Küchenwand. Dabei haben Historiker längst bewiesen, dass die Sache mit Marco Polo und der Nudel schlichtweg nicht stimmt. Historiker gehen jedoch mittlerweile davon aus, dass die Geschichte der Pasta in Italien schon in der Antike begann. Höchste Zeit also, diesem kulinarischen Märchen den Garaus zu machen.

Was Marco Polo wirklich über Nudeln schrieb

Fangen wir mal bei der Quelle an. In Marco Polos berühmtem Reisebericht "Il Milione" findet sich tatsächlich eine Erwähnung von Nudeln. Allerdings nicht so, wie du es vielleicht erwartest. Die einzige Anspielung auf Nudeln in Marco Polos Bericht deutet darauf hin, dass die Chinesen Weizen zur Herstellung aller Arten von Nudeln verwenden, nicht von Brot. Dieser Text beschreibt nichts, was den Italienern unbekannt war.

Genau da liegt der Knackpunkt. Polo beschreibt die chinesische Nudelherstellung nicht als revolutionäre Entdeckung, sondern als etwas, das den Italienern bereits bekannt war. Er macht sozusagen eine Nebenbemerkung darüber, dass die Chinesen ihren Weizen anders verwenden als die Italiener es gewohnt waren. Von einer bahnbrechenden kulinarischen Innovation ist da keine Rede.

Übrigens ist sogar umstritten, ob Marco Polo die Reise wirklich angetreten ist – beziehungsweise, ob sie wirklich so verlaufen ist, wie er es seinem Zellengenossen erzählte. Manche Historiker vermuten, dass er sich seine Geschichten aus zweiter Hand zusammengestoppelt hat. Aber das ist eine andere Baustelle.

Die wahren Pasta-Pioniere: Etrusker und Römer

Während Marco Polo noch gar nicht geboren war, schlürften die Italiener bereits fröhlich ihre Nudeln. Vermutlich standen die Teigwaren bereits vor den Römern auf der Speiseliste des Etrusker-Volks, also im 4. Jahrhundert vor Christus. Das sind immerhin 1500 Jahre vor Marco Polos Geburt!

Besonders interessant sind die archäologischen Funde aus etruskischen Gräbern. Grabbildungen der Etrusker zeigen Mehlsäcke und Nudelhölzer. Diese Darstellungen von Nudelwerkzeugen sind ein ziemlich eindeutiger Beweis dafür, dass die Etrusker nicht nur Nudeln kannten, sondern auch die entsprechenden Geräte zur Herstellung besaßen.

Stell dir vor: Während andere Völker noch mit simplen Getreidebrei hantieren, haben die Etrusker bereits Nudelhölzer entwickelt. Das ist schon ziemlich fortschrittlich für die damalige Zeit. Kein Wunder, dass die Römer später so viel von den Etruskern übernahmen – auch kulinarisch.

Griechische Verbindung und sprachliche Spuren

Die Nudel-Spur führt sogar noch weiter zurück. Auch im Griechenland der Antike waren Nudelgerichte bekannt. In etruskischen Gräbern sind sie durch Abbildungen von Geräten zur Nudelherstellung bezeugt. Der Begriff kommt über das Lateinische vom Griechischen pastē, womit ein grützeartiges Gerstengericht bezeichnet wurde.

Hier wird's sprachlich interessant. Das Wort "Pasta" hat seine Wurzeln im Griechischen – nicht im Chinesischen. Das griechische "pastē" bezeichnete ursprünglich ein Gerstengericht, aus dem sich später die Bezeichnung für Teigwaren entwickelte. Eine ziemlich eindeutige Verbindung zum Mittelmeerraum, würde ich sagen.

Die Griechen waren überhaupt ziemliche Kochkünstler. Sie hatten bereits ausgeklügelte Techniken zur Teigherstellung und experimentierten mit verschiedenen Getreidesorten. Von dort aus war es nur ein kleiner Schritt zu den Nudeln, wie wir sie heute kennen.

Wie entstand dann der Marco Polo-Mythos?

Aber moment mal – wenn die Geschichte so offensichtlich nicht stimmt, wie konnte sie dann so populär werden? Der wohl bekanntesten Legende zu Folge hat Marco Polo auf einer seiner Reisen nach China das Gericht kennengelernt und dann voller Begeisterung in seine Heimat Italien importiert.

Die Antwort liegt in der menschlichen Neigung zu schönen Geschichten. Die Vorstellung, dass ein mutiger Entdecker aus fernen Ländern neue Köstlichkeiten mitbringt, ist einfach zu verlockend. Es ist die perfekte Erzählung: Abenteuer, Exotik und kulinarische Entdeckung in einem Paket.

Außerdem passte die Geschichte perfekt in die Zeit, als Europa begann, die Welt zu erkunden. Marco Polo wurde zum Symbol für den kulturellen Austausch zwischen Ost und West. Da lag es nahe, ihm auch die Nudel-"Erfindung" anzuhängen.

Die chinesische Seite der Medaille

Aber halt – die Chinesen haben ja durchaus ihre eigene Nudel-Tradition. In China wurde bei Ausgrabungen eine rund 4.000 Jahre alte versiegelte Steingutschale mit Nudeln gefunden. Das ist schon beeindruckend! 2005 fand ein Forschungsteam bei Ausgrabungen in China eine rund 4000 Jahre alte Nudel-Entdeckung.

Diese chinesischen Nudeln sind tatsächlich älter als die italienischen Funde. Aber – und das ist wichtig – das bedeutet nicht automatisch, dass die Chinesen die Nudel "erfunden" haben und diese dann nach Italien gewandert ist. Verschiedene Kulturen können durchaus unabhängig voneinander ähnliche Nahrungsmittel entwickeln.

Denk mal daran: Die Grundzutaten für Nudeln – Getreide und Wasser – waren überall auf der Welt verfügbar. Es ist gar nicht so überraschend, dass verschiedene Kulturen auf die Idee kamen, daraus Teigwaren zu machen.

Mittelalterliche Nudel-Realität in Italien

Zurück nach Italien: Bereits im Mittelalter, lange vor Marco Polos Reisen, waren Nudeln dort ein etabliertes Nahrungsmittel. Mitte des 12. Jahrhunderts berichtete der Geograph Al-Idrisi über die Nudelproduktion in Sizilien. Das war hundert Jahre vor Marco Polos Geburt!

In Sizilien gab es sogar schon eine richtige Nudel-Industrie. Die Araber, die die Insel erobert hatten, brachten ihre eigenen Nudel-Techniken mit und verfeinerten sie mit den lokalen italienischen Methoden. So entstand eine lebendige Nudel-Kultur, die sich über ganz Italien ausbreitete.

Besonders spannend ist dabei, dass verschiedene Regionen ihre eigenen Nudel-Spezialitäten entwickelten. In Norditalien entstanden andere Formen als im Süden, jede Region passte die Nudeln an ihre lokalen Zutaten und Vorlieben an.

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