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Von cremig bis säuerlich: Die verschiedenen Joghurt-Arten verstehen

Griechischer Joghurt hier, türkischer dort – im Supermarkt herrscht das pure Chaos. Dabei steckt hinter jeder Sorte eine völlig andere Herstellungsart. Zeit, Licht ins Dunkel zu bringen.

Zutaten & Wissen  |  Lesezeit: ca. 8 Min.
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Zwischenablage

Joghurt ist im Prinzip nichts anderes als fermentierte Milch. Klingt simpel, ist es aber nicht. Denn schon bei der Definition fangen die Unterschiede an. In Deutschland muss ein Produkt mindestens 3,5 Prozent Milchsäurebakterien enthalten, um sich Joghurt nennen zu dürfen. Andere Länder handhaben das lockerer oder strenger.

Der Fermentationsprozess läuft immer ähnlich ab: Milchsäurebakterien verwandeln den Milchzucker in Milchsäure. Dadurch wird die Milch dickflüssiger und bekommt ihren charakteristischen säuerlichen Geschmack. Welche Bakterienstämme verwendet werden, bei welcher Temperatur fermentiert wird und wie lange der Prozess dauert – das alles beeinflusst das Endergebnis erheblich.

Spannend ist dabei, dass die meisten traditionellen Joghurt-Arten ursprünglich aus Regionen stammen, wo es schwierig war, frische Milch lange zu lagern. Die Fermentation war schlicht eine Notwendigkeit, um Milchprodukte haltbar zu machen. Heute nutzen wir diese jahrhundertealten Techniken, um verschiedene Geschmäcker und Texturen zu kreieren.

Griechischer Joghurt: Der Cremige mit dem Extra-Schritt

Griechischer Joghurt hat in den letzten Jahren einen echten Siegeszug hingelegt. Zu Recht, muss man sagen. Seine cremige Konsistenz und der milde, trotzdem prägnante Geschmack machen ihn zum Allrounder in der Küche.

Das Geheimnis liegt im zusätzlichen Abtropfschritt. Nach der normalen Fermentation wird der Joghurt durch ein feines Tuch oder Sieb gefiltert. Dabei trennt sich die Molke vom dickflüssigen Rest. Was zurückbleibt, ist deutlich konzentrierter – sowohl im Geschmack als auch in der Konsistenz. Manche Hersteller verwenden auch spezielle Zentrifugen, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Durch diesen Prozess enthält griechischer Joghurt etwa doppelt so viel Protein wie herkömmlicher Joghurt. Gleichzeitig reduziert sich der Kohlenhydratanteil. Das macht ihn besonders bei Sportlern und figurbewussten Menschen beliebt. Allerdings steigt auch der Fettgehalt, je nach verwendeter Milch.

Übrigens: Echter griechischer Joghurt wird traditionell aus Schafs- oder Ziegenmilch hergestellt. Die meisten Produkte im deutschen Supermarkt basieren jedoch auf Kuhmilch. Das ist nicht schlecht, schmeckt aber anders als das Original.

Türkischer Joghurt: Traditionsreich und vielseitig

In der Türkei gehört Joghurt seit Jahrhunderten zum täglichen Speiseplan. "Yoğurt" – so heißt er im Original – wird dort sowohl süß als auch herzhaft verwendet. Von der Vorspeise bis zum Dessert, als Getränk oder Marinade.

Türkischer Joghurt unterscheidet sich vor allem durch die verwendeten Bakterienkulturen und die Fermentationstemperatur von anderen Sorten. Traditionell wird er bei etwas niedrigeren Temperaturen über längere Zeit fermentiert. Das verleiht ihm einen charakteristisch säuerlichen, fast schon pikanten Geschmack.

Die Konsistenz variiert je nach Herstellungsart. Manche türkische Joghurts sind richtig fest und lassen sich sogar schneiden. Andere sind cremig-flüssig und perfekt zum Trinken geeignet. In der türkischen Küche wird oft unterschieden zwischen "süzme yoğurt" (abgetropfter Joghurt, ähnlich dem griechischen) und normalem Joghurt.

Besonders interessant ist die Verwendung in herzhaften Gerichten. Türkischer Joghurt wird gerne zu gegrilltem Fleisch serviert, in Suppen eingerührt oder als Basis für Tzatziki-ähnliche Dips verwendet. Seine Säure gleicht fettige oder würzige Speisen perfekt aus.

Bulgarischer Joghurt: Der Ursprung aller Joghurts

Hier wird's historisch interessant. Bulgarien gilt als die Wiege des Joghurts, wie wir ihn heute kennen. Der bulgarische Mikrobiologe Stamen Grigorov entdeckte 1905 den Bakterienstamm Lactobacillus bulgaricus – einen der wichtigsten Joghurt-Kulturen überhaupt.

Echter bulgarischer Joghurt darf nur mit zwei spezifischen Bakterienstämmen hergestellt werden: Lactobacillus bulgaricus und Streptococcus thermophilus. Diese Kombination ist sogar EU-weit geschützt. Das Ergebnis ist ein Joghurt mit einer ganz eigenen Geschmacksnote – säuerlicher als griechischer, aber milder als manche türkische Varianten.

Bulgaren schwören auf die gesundheitlichen Vorteile ihres Nationaljoghurts. Ob das tatsächlich stimmt oder eher Patriotismus ist, sei dahingestellt. Fest steht: Die spezielle Bakterienkombination macht den bulgarischen Joghurt zu etwas Besonderem.

Charakteristisch ist auch die relativ flüssige Konsistenz. Bulgarischer Joghurt wird nicht abgetropft und behält daher seinen natürlichen Molkeanteil. Das macht ihn ideal zum Trinken oder für Smoothies.

Isländischer Skyr: Joghurt oder Käse?

Skyr sorgt regelmäßig für Verwirrung. Ist es nun Joghurt oder Käse? Genau genommen ist es beides und gleichzeitig keins von beidem. Skyr wird zwar wie Joghurt fermentiert, aber das Herstellungsverfahren ähnelt eher der Käseproduktion.

Der entscheidende Unterschied liegt im Abtropfprozess. Während griechischer Joghurt nur die Molke verliert, wird bei Skyr zusätzlich Lab zugegeben. Das lässt das Milcheiweiß noch stärker gerinnen. Anschließend wird die Masse gepresst – ähnlich wie bei der Käseherstellung.

Das Ergebnis ist ein extrem proteinreicher, nahezu fettfreier "Joghurt" mit einer fast schon quarkartigen Konsistenz. Skyr enthält etwa drei- bis viermal so viel Protein wie normaler Joghurt. Dafür ist er vom Geschmack her deutlich milder und weniger säuerlich.

In Island wird Skyr traditionell mit Heidelbeeren oder anderen Beeren serviert. Die Isländer essen ihn aber auch pur oder verwenden ihn als Proteinquelle in verschiedenen Gerichten. Für Sportler ist Skyr praktisch das Non-Plus-Ultra unter den Milchprodukten.

Kefir: Der sprudelnde Verwandte

Kefir ist strenggenommen kein Joghurt, wird aber gerne in einem Atemzug genannt. Der Unterschied liegt in der Fermentation. Während Joghurt nur durch Milchsäurebakterien fermentiert wird, kommen bei Kefir zusätzlich Hefen zum Einsatz.

Das macht Kefir zu einem leicht alkoholischen, sprudelnden Getränk. Der Alkoholgehalt liegt zwar nur bei etwa 0,1 bis 0,5 Prozent, aber trotzdem schmeckt man einen Unterschied. Kefir ist prickelnd und hat eine ganz eigene, leicht hefige Note.

Traditionell wird Kefir mit sogenannten Kefirkörnern hergestellt. Das sind kleine, blumenkohlartige Gebilde aus Bakterien und Hefen, die immer wieder verwendet werden können. Diese Körner sind quasi lebende Starterkulturen und können über Generationen weitergegeben werden.

Geschmacklich ist Kefir deutlich komplexer als normaler Joghurt. Je nach Fermentationsdauer kann er mild und cremig oder säuerlich und intensiv schmecken. In manchen Regionen wird er auch aus Schafs- oder Ziegenmilch hergestellt, was ihm nochmal eine andere Note verleiht.

Deutsche Joghurt-Klassiker: Von mild bis säuerlich

Auch in Deutschland gibt es traditionelle Joghurt-Arten, die oft übersehen werden. Der klassische deutsche Naturjoghurt ist meist milder als seine mediterranen Verwandten. Das liegt an den verwendeten Bakterienkulturen und der Fermentationstemperatur.

Dann wäre da noch die Dickmilch, die in manchen Regionen auch Sauermilch genannt wird. Streng genommen ist das kein Joghurt, sondern ein anderes fermentiertes Milchprodukt. Die Herstellung läuft etwas anders ab, das Ergebnis ist dünnflüssiger und hat einen charakteristisch säuerlichen Geschmack.

Buttermilch ist ebenfalls ein deutsches Traditionsproduk. Ursprünglich war das die Flüssigkeit, die beim Buttern übrig blieb. Heute wird sie meist künstlich durch Fermentation hergestellt. Sie schmeckt säuerlicher als Joghurt und ist deutlich dünnflüssiger.

Interessant ist auch der regionale Aspek: In Bayern kennt man den "Sauren Rahm", in Norddeutschland gibt es die "Dickmilch" und im Osten war zu DDR-Zeiten der "Kefir" sehr beliebt. Jede Region hat ihre eigenen Vorlieben entwickelt.

Pflanzliche Alternativen: Wenn die Milch fehlt

Vegane Joghurt-Alternativen boomen. Soja, Mandel, Hafer, Kokos – inzwischen gibt es kaum eine Pflanze, aus der nicht versucht wird, joghurtähnliche Produkte herzustellen. Dabei ist das gar nicht so einfach, wie es klingt.

Das Hauptproblem: Pflanzliche Milch enthält andere Proteine und Zucker als Kuhmilch. Die klassischen Joghurt-Bakterien können damit oft nicht viel anfangen. Deshalb werden spezielle Bakterienkulturen verwendet oder zusätzliche Verdickungsmittel zugegeben.

Sojajoghurt kommt dem Original noch am nächsten. Sojamilch enthält relativ viel Protein und lässt sich gut fermentieren. Der Geschmack ist allerdings gewöhnungsbedürftig – leicht bohnig und manchmal etwas mehlig.

Kokosjoghurt hat eine wunderbar cremige Konsistenz, schmeckt aber deutlich nach Kokos. Mandeljoghurt ist meist mild und nussig, dafür oft sehr dünnflüssig. Haferjoghurt liegt geschmacklich irgendwo zwischen süßlich und neutral.

Generell gilt: Pflanzliche Joghurt-Alternativen sind eine gute Option für Menschen mit Laktoseintoleranz oder veganer Ernährung. Geschmacklich und von der Konsistenz her erreichen sie aber nicht ganz die Vielfalt echter Milchjoghurts.

Welcher Joghurt für welchen Zweck?

Bei der Auswahl kommt es darauf an, was du vorhast. Für Müsli oder Smoothies eignet sich dünnflüssiger Joghurt besser – bulgarischer oder klassischer deutscher zum Beispiel. Griechischer Joghurt ist perfekt, wenn du etwas Cremiges brauchst oder viel Protein willst.

Zum Kochen und Backen ist griechischer oder türkischer Joghurt ideal. Sie sind stabil genug, um nicht zu gerinnen, wenn sie erhitzt werden. Für herzhafte Dips und Saucen sind sie ebenfalls erste Wahl.

Skyr ist der Proteinchampion unter den Joghurts. Wenn du nach dem Sport etwas Eiweißreiches suchst oder abnehmen willst, ist er perfekt. Geschmacklich ist er allerdings nicht jedermanns Sache.

Kefir eignet sich gut als Erfrischungsgetränk zwischendurch oder als Basis für Smoothies. Sein sprudelnder Charakter macht ihn zu einer interessanten Alternative zu anderen fermentierten Getränken.

Übrigens: Die meisten Joghurt-Arten lassen sich auch selbst herstellen. Du brauchst nur die richtigen Starterkulturen und etwas Geduld. Selbstgemachter Joghurt schmeckt oft intensiver und ist frei von Zusatzstoffen. Außerdem kannst du selbst bestimmen, wie dick oder dünn, wie säuerlich oder mild er werden soll.

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