Wer kennt ihn nicht, den Löwenzahn mit seinen charakteristischen gezackten Blättern und leuchtend gelben Blüten? Was die meisten Gartenbesitzer als hartnäckiges Unkraut verfluchen, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als wahres Superfood. Taraxacum officinale, so der botanische Name, gehört zu den ältesten Heilpflanzen der Menschheit und war bereits im Mittelalter als "Herba taraxaci" bekannt.
Besonders faszinierend sind die Bitterstoffe im Löwenzahn. Diese sekundären Pflanzenstoffe, allen voran die Sesquiterpenlactone, verleihen der Pflanze nicht nur ihren charakteristisch herben Geschmack, sondern entfalten auch eine bemerkenswerte Wirkung auf unser Verdauungssystem. Früher, als unsere Großeltern noch regelmäßig bittere Kräuter aßen, war das ganz normal. Heute schmeckt vielen schon ein Chicorée zu bitter.
Warum Bitterstoffe so wichtig sind
Bitter ist nicht gleich bitter - da gibt's gewaltige Unterschiede. Die Bitterstoffe im Löwenzahn gehören zur Gruppe der Sesquiterpenlactone, die besonders intensiv auf unsere Geschmacksrezeptoren wirken. Schon beim ersten Bissen signalisieren diese Rezeptoren dem Gehirn: "Achtung, hier kommt was Bitteres!" Daraufhin startet eine ganze Kaskade von Verdauungsreaktionen.
Der Speichelfluss wird angeregt, die Magensäureproduktion hochgefahren und die Gallenblase zur Freisetzung von Gallensäuren stimuliert. Besonders spannend ist dabei, dass bereits der Geschmack auf der Zunge ausreicht, um diese Reflexe auszulösen. Man spricht hier vom sogenannten cephalischen Reflex - eine Art Startsignal für die gesamte Verdauungsmaschinerie.
Moderne Studien bestätigen, was die Volksmedizin schon lange wusste: Bitterstoffe können die Verdauung erheblich verbessern. Sie fördern nicht nur die Produktion von Verdauungssäften, sondern unterstützen auch die Darmbewegung und können bei Völlegefühl oder träger Verdauung wahre Wunder wirken. Wer regelmäßig unter Blähungen oder einem aufgeblähten Bauch leidet, sollte definitiv mal Löwenzahn probieren.
Löwenzahn sammeln und erkennen
Das Schöne am Löwenzahn: Er wächst praktisch überall. Von März bis Oktober findest du ihn auf Wiesen, am Wegesrand und - zum Leidwesen vieler Hobbygärtner - auch im heimischen Rasen. Allerdings solltest du beim Sammeln ein paar Dinge beachten. Meide stark befahrene Straßen, Hundewege und gedüngte Flächen. Am besten eignen sich naturbelassene Wiesen oder der eigene, unbehandelte Garten.
Die jungen Blätter im Frühjahr sind am mildesten und eignen sich perfekt für Einsteiger. Sie sind hellgrün, zart und haben noch nicht diese intensive Bitterkeit entwickelt, die ältere Blätter auszeichnet. Je älter die Pflanze wird, desto bitterer schmeckt sie - was durchaus gewollt sein kann, wenn du den vollen therapeutischen Effekt suchst.
Ein kleiner Tipp aus der Praxis: Sammle am besten morgens, wenn der Tau noch auf den Blättern liegt. Dann sind sie besonders knackig und frisch. Und keine Sorge wegen der weißen Milch, die aus den Stängeln tritt - die ist zwar etwas klebrig, aber völlig harmlos. Manche schwören sogar darauf, dass diese Milch bei Warzen hilft, aber das ist ein anderes Thema.
Die perfekte Zubereitung
Jetzt wird's praktisch: Wie machst du aus den gesammelten Löwenzahnblättern einen schmackhaften Salat? Zunächst solltest du die Blätter gründlich waschen - am besten mehrmals in kaltem Wasser. Besonders bei wildem Löwenzahn können sich kleine Erdkrümel zwischen den gezackten Blatträndern verstecken.
Die Kunst liegt darin, die Bitterkeit zu dosieren. Anfänger mischen Löwenzahnblätter am besten mit milderen Salaten wie Feldsalat oder Rucola. Das Verhältnis kann etwa ein Drittel Löwenzahn zu zwei Dritteln andere Salate betragen. Mit der Zeit gewöhnt sich der Gaumen an die Bitterkeit, und du kannst den Anteil langsam steigern.
Ein bewährter Trick: Lass die gewaschenen Blätter etwa 30 Minuten in kaltem Wasser liegen. Das mildert die Bitterkeit etwas ab, ohne die wertvollen Inhaltsstoffe zu zerstören. Alternativ kannst du sie kurz in Salzwasser blanchieren - das macht sie zarter und weniger bitter, reduziert aber auch den Gehalt an Bitterstoffen.
Beim Dressing gilt: Süße und Säure sind deine besten Verbündeten im Kampf gegen übermäßige Bitterkeit. Ein Dressing aus Olivenöl, Balsamico-Essig und einem Teelöffel Honig harmoniert wunderbar mit Löwenzahn. Auch ein paar geröstete Pinienkerne oder Walnüsse können die Bitterkeit abmildern und sorgen für eine interessante Textur.
Nährstoffe, die sich sehen lassen können
Neben den wertvollen Bitterstoffen steckt Löwenzahn voller Vitamine und Mineralstoffe. Mit etwa 158 Mikrogramm Beta-Carotin pro 100 Gramm toppt er sogar die Karotte. Dieses Provitamin A ist wichtig für die Sehkraft und das Immunsystem. Dazu kommt eine ordentliche Portion Vitamin C - etwa 65 Milligramm pro 100 Gramm, das entspricht fast dem Tagesbedarf eines Erwachsenen.
Interessant ist auch der hohe Kaliumgehalt von rund 590 Milligramm pro 100 Gramm. Kalium reguliert den Wasserhaushalt und unterstützt die Nierenfunktion - nicht umsonst wird Löwenzahn im Volksmund auch "Bettnässer" genannt. Diese entwässernde Wirkung ist durchaus erwünscht und kann bei Wassereinlagerungen hilfreich sein.
Eisen ist ein weiterer Pluspunkt: Mit etwa 3,1 Milligramm pro 100 Gramm liefert Löwenzahn mehr von diesem wichtigen Spurenelement als Spinat. Vegetarier und Veganer können hier also durchaus zugreifen. Die enthaltenen Flavonoide wirken außerdem antioxidativ und können Zellschäden durch freie Radikale reduzieren.
Rezeptideen für jeden Geschmack
Der klassische Löwenzahnsalat mit Speckwürfeln ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Wie wär's mal mit einem mediterranen Löwenzahn-Salat? Dazu die Blätter mit Tomaten, Oliven und Feta kombinieren und mit einem Dressing aus Olivenöl, Zitronensaft und Oregano anmachen. Der salzige Feta und die säuerlichen Tomaten balancieren die Bitterkeit perfekt aus.
Besonders raffiniert wird's mit einem warmen Löwenzahn-Salat. Die Blätter kurz in der Pfanne mit etwas Olivenöl anschwitzen, bis sie zusammenfallen. Dann mit gerösteten Pinienkernen, getrockneten Tomaten und einem Spritzer Balsamico-Essig verfeinern. Das Erhitzen mildert die Bitterkeit ab und verleiht dem Salat eine ganz andere Textur.
Experimentierfreudige können Löwenzahn auch in einem grünen Smoothie verarbeiten. Ein paar junge Blätter mit Apfel, Banane und etwas Ingwer mixen - fertig ist der Detox-Drink. Der fruchtige Geschmack überdeckt die Bitterkeit fast vollständig, während die gesunden Inhaltsstoffe erhalten bleiben.
Löwenzahn das ganze Jahr über
Frischer Löwenzahn ist natürlich am besten, aber das Zeitfenster für die Ernte ist begrenzt. Die jungen, zarten Blätter gibt's hauptsächlich von März bis Mai, danach werden sie zunehmend bitter und faserig. Aber keine Panik - es gibt durchaus Möglichkeiten, Löwenzahn zu konservieren.
Einfrieren funktioniert überraschend gut, allerdings verliert er dabei seine knackige Textur. Die gefrorenen Blätter eignen sich daher eher für Smoothies oder zum Kochen. Trocknen ist eine weitere Option: Die gewaschenen Blätter an einem luftigen, schattigen Ort aufhängen und vollständig trocknen lassen. Das getrocknete Kraut kann dann als Tee aufgebrüht oder als Gewürz verwendet werden.
Clevere Hobbygärtner bauen Löwenzahn auch gezielt im eigenen Garten an. Die Sorte "Verbesserter Vollherziger" ist speziell für den Anbau gezüchtet und etwas milder als der wilde Löwenzahn. Im Herbst ausgesät, liefert er bereits im zeitigen Frühjahr frische Blätter.
Vorsicht ist besser als Nachsicht
So gesund Löwenzahn auch ist - ein paar Punkte solltest du beachten. Menschen mit Gallensteinen oder einem Verschluss der Gallenwege sollten auf größere Mengen verzichten, da die Bitterstoffe die Gallenproduktion anregen können. Bei bestehenden Magenproblemen wie einem Geschwür können die Bitterstoffe die Beschwerden verstärken.
Auch Allergiker sollten vorsichtig sein. Löwenzahn gehört zur Familie der Korbblütler, zu der auch Kamille, Arnika und Chrysanthemen zählen. Wer auf diese Pflanzen allergisch reagiert, sollte auch bei Löwenzahn aufpassen. Ein kleiner Test mit einer geringen Menge ist immer sinnvoll.
Die entwässernde Wirkung kann bei regelmäßigem Verzehr größerer Mengen zu einem Kaliumverlust führen. Das ist normalerweise kein Problem, da Löwenzahn selbst reich an Kalium ist. Trotzdem solltest du es nicht übertreiben - wie bei allem im Leben gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift.