Ernährung & Gesundheit

Zucker, Fett und Salz: Was ist wirklich ungesund – und was nicht?

Sie gelten als die drei Reiter der Ernährungs-Apokalypse. Doch was ist dran am schlechten Ruf von Zucker, Fett und Salz? Zeit für einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen der Küchen-Mythen.

Ernährung & Gesundheit  |  Lesezeit: ca. 9 Min.
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Zwischenablage

Kaum ein Thema spaltet die Gemüter so sehr wie die Frage nach gesunder Ernährung. Da stehen sie nun, die drei vermeintlichen Bösewichte unserer Zeit: Zucker, Fett und Salz. Verteufelt in Ratgebern, gefürchtet von Gesundheitsbewussten und doch allgegenwärtig in unseren Küchen. Aber mal ehrlich – sind diese drei wirklich die Übeltäter, als die sie so gerne dargestellt werden?

Die Sache ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Denn während die einen vor jedem Gramm Zucker warnen, schwören andere auf Low-Carb-Diäten mit reichlich Fett. Und das Salz? Das wurde schon so oft totgesagt, dass es eigentlich längst ausgestorben sein müsste. Trotzdem landen täglich Tonnen davon in unseren Töpfen.

Zucker – der süße Verführer mit zwei Gesichtern

Fangen wir mit dem Zucker an, diesem kristallinen Stoff, der Kindheitserinnerungen weckt und gleichzeitig die Wissenschaft beschäftigt. Zucker ist zunächst einmal nichts anderes als ein Kohlenhydrat – und Kohlenhydrate sind nun mal einer der drei Hauptnährstoffe, die unser Körper braucht. Soweit, so unspektakulär.

Das Problem liegt woanders: in der Menge und in der Form, wie wir Zucker zu uns nehmen. Unser Körper kann zwischen dem Fruchtzucker einer Aprikose und dem weißen Kristallzucker im Kaffee nicht unterscheiden – chemisch gesehen ist beides Zucker. Der Unterschied liegt jedoch im Drumherum. Die Aprikose bringt Ballaststoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe mit, die den Zuckerschub abfedern. Der reine Kristallzucker dagegen? Der rauscht ungefiltert ins Blut.

Spannend dabei ist, dass unser Gehirn tatsächlich auf Zucker angewiesen ist. Pro Tag verbraucht es etwa 120 Gramm Glukose – das entspricht ungefähr dem Zuckergehalt von vier Äpfeln. Ohne diese Energie würden wir buchstäblich nicht mehr klar denken können. Das erklärt auch, warum wir in stressigen Situationen so gerne zu Süßem greifen.

Die Crux liegt in der modernen Verarbeitung von Lebensmitteln. Während unsere Vorfahren vielleicht mal an wilden Beeren genascht haben, konsumieren wir heute Zucker in Formen, die es in der Natur nie gegeben hat. Softdrinks, Süßigkeiten, aber auch vermeintlich gesunde Müsliriegel enthalten oft mehr Zucker als eine Portion Obst – nur ohne die ganzen positiven Begleitstoffe.

Fett – von der Verteufelung zur Rehabilitation

Beim Fett wird's noch wilder. Jahrzehntelang galt es als Staatsfeind Nummer eins der gesunden Ernährung. Low-Fat-Produkte eroberten die Supermarktregale, und wer sich gesund ernähren wollte, mied Butter wie der Teufel das Weihwasser. Mittlerweile wissen wir: Das war ein ziemlicher Irrweg.

Fett ist lebensnotwendig – so einfach ist das. Ohne Fett kann unser Körper die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K nicht aufnehmen. Unser Gehirn besteht zu 60 Prozent aus Fett, und ohne bestimmte Fettsäuren funktioniert unser Hormonsystem nicht richtig. Wer komplett auf Fett verzichtet, riskiert ernsthafte Mangelerscheinungen.

Aber – und das ist ein wichtiges Aber – nicht alle Fette sind gleich. Da gibt's die gesättigten Fettsäuren, die einfach ungesättigten und die mehrfach ungesättigten. Jede Gruppe hat ihre eigenen Eigenschaften und Auswirkungen auf unseren Körper. Die Transfette, die bei der industriellen Härtung entstehen, sind tatsächlich problematisch. Sie erhöhen das schlechte Cholesterin und senken gleichzeitig das gute – eine ungünstige Kombination.

Interessant ist dabei, dass viele traditionelle Küchen der Welt reichlich Fett verwenden und trotzdem mit Gesundheit und Langlebigkeit punkten. Die Mittelmeerküche schwört auf Olivenöl, die Inuit ernährten sich traditionell sehr fettreich, und auch in der französischen Küche wird nicht mit Butter gespart. Das berühmte "French Paradox" – Franzosen haben trotz fettreicher Ernährung weniger Herzprobleme als erwartet – beschäftigt Forscher bis heute.

Salz – das weiße Gold mit Tücken

Beim Salz wird's besonders verzwickt. Denn Salz war über Jahrhunderte hinweg so wertvoll, dass Kriege darum geführt wurden. Heute ist es so billig und allgegenwärtig, dass wir oft vergessen, wie wichtig es für unseren Körper ist. Ohne Natrium und Chlorid – die beiden Bestandteile von Kochsalz – funktioniert unser Wasserhaushalt nicht, die Nerven leiten keine Signale weiter, und die Muskeln können sich nicht zusammenziehen.

Das Problem mit dem Salz ist weniger das Salz selbst als vielmehr die schiere Menge, die wir heute konsumieren. Während unsere Vorfahren vielleicht 1-2 Gramm täglich zu sich nahmen, kommen wir heute leicht auf 10 Gramm oder mehr. Der größte Teil davon stammt nicht aus dem Salzstreuer auf dem Tisch, sondern aus verarbeiteten Lebensmitteln.

Ein Blick in die Zutatenliste von Fertigprodukten offenbart das Ausmaß: Brot, Wurst, Käse, Soßen, Konserven – überall versteckt sich Salz. Oft in Mengen, die wir beim Kochen zu Hause niemals verwenden würden. Ein einziges Fertiggericht kann schon die empfohlene Tagesmenge überschreiten.

Trotzdem ist nicht jeder Mensch gleich salzempfindlich. Während manche Menschen tatsächlich mit Bluthochdruck auf zu viel Salz reagieren, können andere problemlos größere Mengen verkraften. Das macht pauschale Empfehlungen schwierig – und erklärt, warum die Salz-Debatte so kontrovers geführt wird.

Die Dosis macht das Gift – oder: Warum Pauschalurteile daneben liegen

Was Zucker, Fett und Salz gemeinsam haben? Sie alle sind in ihrer natürlichen Form und in angemessenen Mengen nicht nur unbedenklich, sondern sogar notwendig für unseren Körper. Das Problem entsteht erst durch die Art und Weise, wie wir sie heute konsumieren.

Nehmen wir das Beispiel einer handelsüblichen Tiefkühlpizza. Sie vereint alle drei "Sünden" in konzentrierter Form: reichlich Salz im Teig und Belag, versteckte Zucker in der Tomatensauce und verschiedene Fette im Käse und in der Salami. Eine solche Pizza enthält oft mehr Salz als der empfohlene Tagesbedarf, mehr Zucker als drei Äpfel und mehr gesättigte Fettsäuren als ein ordentliches Steak.

Vergleichen wir das mit einem selbst zubereiteten Gericht: frisches Gemüse, angebraten in etwas Olivenöl, gewürzt mit einer Prise Salz und vielleicht einem Hauch Honig für die Balance. Hier wirken dieselben drei "Bösewichte" plötzlich wie Verbündete, die das Essen schmackhaft und bekömmlich machen.

Der entscheidende Unterschied liegt in der Verarbeitung und Konzentration. Industriell verarbeitete Lebensmittel enthalten oft extreme Mengen dieser drei Stoffe, um Geschmack, Haltbarkeit und Suchtpotenzial zu maximieren. In der natürlichen Form oder bei maßvoller Verwendung in der eigenen Küche sind sie hingegen wertvolle Helfer.

Praktische Orientierung im Ernährungs-Dschungel

Was bedeutet das nun für den Alltag? Zuallererst: Entspannung ist angesagt. Wer sich hauptsächlich von frischen, wenig verarbeiteten Lebensmitteln ernährt, muss sich über Zucker, Fett und Salz keine großen Sorgen machen. Der Körper hat erstaunlich gute Mechanismen, um mit natürlichen Mengen dieser Stoffe umzugehen.

Beim Einkaufen lohnt sich der Blick auf die Zutatenliste. Faustregel: Je länger die Liste, desto mehr Zusatzstoffe sind drin – und oft auch mehr von unseren drei "Problemkandidaten". Wer Lust auf Pizza hat, kann sie auch mal selber machen. Das dauert nicht viel länger als das Aufbacken einer Tiefkühlversion, schmeckt meist besser und man weiß genau, was drin ist.

Beim Salz hilft es, sich die eigenen Geschmacksnerven wieder zu trainieren. Wer über Wochen hinweg den Salzkonsum reduziert, merkt plötzlich, wie intensiv ein einziges Körnchen Meersalz auf einem frischen Tomatenscheibchen schmecken kann. Ähnlich verhält es sich mit Zucker: Wer sich von der industriellen Süße entwöhnt, entdeckt die natürliche Süße von Obst und Gemüse neu.

Der Blick über den Tellerrand

Interessant wird's, wenn man verschiedene Ernährungskulturen betrachtet. Die Japaner konsumieren traditionell viel Salz durch Sojasauce, Miso und eingelegtes Gemüse – und haben trotzdem eine der höchsten Lebenserwartungen weltweit. Die Inuit ernährten sich über Jahrhunderte extrem fettreich, ohne die typischen Zivilisationskrankheiten zu entwickeln. Und in vielen afrikanischen Kulturen spielen süße Früchte eine zentrale Rolle in der Ernährung.

Was diese Beispiele zeigen: Es kommt nicht nur auf die einzelnen Nährstoffe an, sondern auf das Gesamtpaket. Bewegung, Stresslevel, soziale Kontakte, die Art der Lebensmittelzubereitung und genetische Faktoren spielen alle eine Rolle. Wer täglich zwei Stunden zu Fuß geht, kann vermutlich problemlos mehr Kohlenhydrate verkraften als jemand, der den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt.

Spannend ist auch der kulturelle Aspekt des Essens. In vielen Kulturen wird Essen als sozialer Akt verstanden, bei dem die Gemeinschaft im Vordergrund steht. Das entspannte Genießen in Gesellschaft kann durchaus gesünder sein als das hektische Herunterschlingen eines perfekt zusammengestellten Nährstoff-Cocktails vor dem Computer.

Das Fazit: Maß und Mitte statt Extreme

Am Ende des Tages sind Zucker, Fett und Salz weder Engel noch Teufel – sie sind schlicht Werkzeuge. Wie bei jedem Werkzeug kommt es darauf an, wie man sie verwendet. Ein Hammer kann ein Haus bauen oder Chaos anrichten, je nachdem, wer ihn in der Hand hält und wie er eingesetzt wird.

Die gute Nachricht ist: Unser Körper ist ziemlich robust und kann mit einer ganzen Menge umgehen, solange wir ihm nicht permanent Extreme zumuten. Wer ab und zu mal eine Tüte Chips isst oder sich ein Stück Sahnetorte gönnt, wird davon nicht krank. Problematisch wird's erst, wenn solche Extremwerte zum Dauerzustand werden.

Vielleicht ist das der wichtigste Punkt: Statt einzelne Nährstoffe zu verteufeln oder zu vergöttern, sollten wir wieder lernen, auf unseren Körper zu hören. Er signalisiert uns meist recht zuverlässig, was er braucht – vorausgesetzt, wir haben ihm nicht durch jahrelange Überdosis den Geschmackssinn vernebelt.

Die drei "Bösewichte" unserer Ernährung sind also in Wahrheit gar nicht so böse. Sie werden erst dann zum Problem, wenn wir sie in unnatürlichen Mengen und Formen konsumieren. Ein bisschen weniger Drama und ein bisschen mehr gesunder Menschenverstand – das wäre vermutlich das beste Rezept für eine entspannte Beziehung zu unserem Essen.

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